Nicht Sushi ist das Problem, sondern…

Eine sehenswerte Doku auf ARD [1] spitzt die Probleme von Lachszucht und Thunfischfang auf den Sushi-Boom zu. Das mag einige Konsumenten dazu motivieren, etwas weniger Sushi zu essen. Die wirklichen Probleme löst das jedoch nicht.

Die Fischindustrie hat es wiederholt verstanden, Fisch in so verarbeiteter Form auf den Markt zu werfen, dass auch Fischerverächter zugreifen. Hauptsache, Umsatz und Marktanteile wachsen, egal, was für Folgen das für die Fische und deren Umwelt hat.

In den 1950er Jahren erfand die Industrie «Fischstäbchen», um Kinder, die meist einen instinktiven Widerwillen gegen Fisch im Teller vermelden, endlich zu angepassten Konsumenten zu erziehen. Für widerwillige Erwachsene wurden parallel dazu «Schlemmerfilets» erfunden. Nebst der Gewinnung neuer Kundensegmente bringen beide Produkte der Industrie zudem den Vorteil, dass sich unter der knusprigen Panade alles Mögliche verbergen lässt; nur die wertvollsten Stücke befinden sicher nicht darunter.

Die meisten Fische werden anders gegessen

Sushi ist eine logische Fortsetzung dieser industriellen Erfolgsgeschichte. Im Glauben, Japaner hätten Fisch schon immer so gegessen, greifen immer mehr Menschen im Westen zu den in Reis und Algenblätter eingewickelten Häppchen mit etwas Fisch in der Mitte. Roh, frisch, convenient, kalorienarm, gesund und rasch verspeist. Was sich im Kern der pflanzlichen Rollen befindet, wissen nicht nur die meisten Esser nicht so genau, sondern oft auch Zwischenhändler und Anbieter. Lachs halt und Thunfisch. Deren Frische ist oft diskutabel, die Förderung der Gesundheit durch solchen fast food nicht minder.

Die 185 Millionen Tonnen an Fischen und Meeresfrüchten, die jedes Jahr gefangen oder aus Zucht gewonnen werden, landen nur zu einem kleinen Bruchteil als Sushi auf den Tellern. Man wird die ethischen, ökologischen und sozialen Problem also nicht los, indem man statt Sushi andere Fischgerichte isst. Die grosse Mehrheit der Fänge stammt aus bereits überfischten Beständen, wurde in einem Fünftel der Fälle illegal aus dem Meer gerissen, und nicht selten von Fangschiffen, auf denen Arbeits- oder gar Menschenrechte missachtet werden. Überhaupt keine Beachtung findet dabei das Leiden der gefangenen Tiere [2]. Bei Fischen aus Zucht stammt die überwiegende Mehrheit von Arten (z. B. Lachse), die sich von ihrer Natur her in Gefangenschaft niemals wohl fühlen können [2]; gefüttert und geschlachtet werden sie je nach Weltregion von Menschen, deren Rechte wenig gelten. Was insbesondere die Lachszuchtindustrie alles zerstört, hat ein Dokumentarfilm unlängst deutlich dargestellt [3].

Übrigens gibt es längst Angebote von…

Fischstäbchen, Schlemmerfilets und Sushi, die ganz aus pflanzlichen Produkten bestehen, auf den Markt gebracht von weitsichtigen Industriellen, die sich für alle Fälle auch dieses Marktsegment sichern wollen. Man kann natürlich aus den Pflanzen auch ganz einfach ein Gemüsegericht herstellen; das ist vielleicht weniger convenient, aber mindestens so lustvoll. Als seltene Beilage dazu, wenn man das als Festessen nicht missen will, empfiehlt sich ein richtiger ganzer Fisch aus nachhaltigem und tierschonendem Fang oder ebensolcher Zucht – was das heisst und warum das im Angebot die grosse Ausnahme ist, erklärt ein Video [2]. Auf ein Label, dass ein solches Angebot garantiert, müssen wir allerdings noch warten, und selbst die Herkunft vom netten lokalen Fischer oder Züchter bürgt bis jetzt leider nicht dafür.


Titelfoto:
Sushi (Tim Reckmann / Wikimedia Commons)

Links:

[1] Christian Jentzsch, ARD:«Sushi-Hunger – Lifestyle mit Schattenseiten»: https://www.ardmediathek.de/video/story/sushi-hunger-lifestyle-mit-schattenseiten/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIyNTYyNDE (44’)

[2] Billo Heinzpeter Studer, «From the fish’s perspective — animal welfare beyond marketing»: https://youtu.be/lOFeNu1lvwc (15’ Präsentation in Englisch,

[3] Francesco De Augustinis: «Until the End of the World» – https://vimeo.com/ondemand/untiltheendoftheworld (58’, Untertitel auch auf Deutsch verfügbar)


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