Atommüll in den Meeren sicherstellen, bevor kein Leben mehr möglich ist.

Leckendes Atommüllfass in der Tiefsee
(Video-Still aus dem hier zitierten ARD-Report 2011
)

Während darüber gestritten wird, ob die atomaren Abwässer von Fukushima bereits den ganzen oder erst den halben Pazifik verseucht haben, tickt seit Jahrzehnten eine atomare Zeitbombe auf dem Grund etlicher Meere: Atommüll. Die Fässer mit den AKW-Abfällen drohen zu lecken.
Doch die Regierungen jener Länder, die Abertausende dieser Fässer hatten verklappen lassen, schauen gar nicht hin. Ganz nach der Logik dieser Entsorgung: aus den Augen, aus dem Sinn. Gilt das auch für die Umweltorganisationen?

Seit den 1960er Jahren waren vor Europas Küsten 114’000 Tonnen Atommüll in billigsten Fässern in die Tiefsee versenkt worden. Die ARD-Sendung «Report» fasste dies 2011 [1] eindrücklich zusammen. Zwar wurde die unglaubliche «Entsorgung» in den 1990er Jahren eingestellt, doch die Fässer rosten vor sich hin, und bereits ist hochgiftiges Plutonium in der Tiefsee nachzuweisen, wird von dort lebenden Organismen aufgenommen, gelangt so in die Nahrungskette, auch in Fische, die gefangen werden – und schliesslich in unserem Magen.

Deutschland war Pionier der Atommüllverklappung in Europa. Nach dem Motto: Sicher, sauber, unerschöpflich? Nein, nach dem Grundsatz: Billig, aus den Augen, tödlich sicher.

Aber der von «Report» befragte damalige deutsche Umweltminister Norbert Röttgen wollte nichts von einer erhöhten Gefahr wissen und sah keine Notwendigkeit für ein ständiges Monitoring. Würde man hinschauen, käme man nicht darum herum, sich um  die Bergung und sichere Lagerung der maroden Fässer zu kümmern. Doch das mag angesichts der herkulischen Ausmasse der Aufgabe und der Feigheit der Verantwortlichen schon gar niemand fordern.

Atommüllfass auf 4800 Meter Tiefe, 1984 (Wikimedia Commons, Autor unbekannt)


Regierungen konfrontiert

Als Präsident von fair-fish international verlangte ich 

  • eine permanente Überwachung der verklappten Fässer in der Tiefsee
  • die Bergung und sicherere Verwahrung aller lecken Fässer

In diesem Sinn schrieb ich am 9. Juni 2016 (einen Tag nach dem Weltmeeresschutztag) an

  • die Regierung Deutschlands (Pionier der  Atommüllverklappung)
  • die Europäische Kommission (EU: 45% der in die Meere verklappten Radioaktivität weltweit)
  • die Regierung Grossbritanniens (41%)
  • die Regierung der Schweiz (5%)
  • die Regierung Russlands (45%)
  • die Internationale Atomenergie-Agentur 


Die Regierungen wiegeln ab…

Das deutsche Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit antwortete am 14. Juli 2016: «Die Versenkung der radioaktiven Abfälle wurde von einem internationalen Forschungsprogramm begleitet, bei dem insbesondere die Freisetzung radioaktiver Stoffe in den Ozeanen überwacht und deren möglicher Weg durch die Nahrungskette untersucht wurden. Im Abschlussbericht von 1995 konnten keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt festgestellt werden, die berechneten Dosiswerte für die Bevölkerung lagen um mehrere Grössenordnungen unter der natürlichen Hintergrundradioaktivität. Aus diesem Grund wurde eine Fortsetzung des Überwachungsprogramms international nicht als notwendig angesehen.»

Ähnlich die Antwort im Auftrag der Schweizer Energieministerin von 8. August 2016: «… internationales Überwachungsprogramm… zu keinen unzulässigen Strahlenbelastungen geführt… keinen radiologischen Grund für eine permanente Überwachung der verklappten Fässer…» Und als ob doch noch etwas Beruhigung nötig sein könnte, liess Frau Leuthard ausrichten: «Die versenkten Fässer lagern in einer durchschnittlichen Tiefe von 4’400 m. Die Standorte sind mindestens 700 km von den Küsten entfernt.» Also gottlob weit weit weg!

Siehe hier als Beispiel die E-Mail an und die Antwort von der Schweizer Regierung.


… oder sitzen es schweigend aus 

Noch beruhigender die Antwort aus dem Russischen Umweltministerium vom 20. Juli 2016, das alle möglichen Behörden aufzählt, die mit der Angelegenheit befasst sind, und zum Schluss kommt: «Die Perfektion des staatlichen Führungs- und Kontrollsystems wie auch die bestehenden Voraussetzung für eine aktive Beteiligung der Geschäftswelt bei der Schaffung eines wirksamen Systems zum Umgang mit verbrauchten Brennstäben und Atommüll sind die Schlüssel in diesem Problembereich.» Hoch lebe der unfehlbare Apparat!

Beunruhigend sind dagegen die Antworten der Europäischen Union, der Britischen Regierung und der Internationalen Atomenergie-Agentur: Sie blieben schlicht aus. Zwar liess uns der EU-Umwelt- und Meereskommissar wissen, die Angelegenheit gehöre zum Aufgabenbereich des Kommissars für Klima und Energie – welcher auf unser Schreiben bis dato nicht reagiert hat. Vielleicht war ihm halt peinlich, dass nun bekannt geworden war, dass sic in der EU nicht das am meisten betroffene Departement mit der tickenden Zeitbombe befasst, sondern jenes Departement, das am meisten an der Fortsetzung der bisherigen (Atom-) Politik interessiert ist.


(K)ein Thema für den Weltmeerestag 2017?

In der Schweiz leben nur ein Promille aller Menschen, aber das kleine reiche Land ist für fünf Prozent des ganzen Atommülls in den Meeren verantwortlich. Die Schweiz hätte allen Grund, sich aktiv dafür zu engagieren, dass Monitoring und Bergung der Atomfässer auf die internationale Agenda gesetzt wird. 

Auch am kommenden 8. Juni werden Umweltorganisationen den Internationalen Tag des Meeres begehen. Werden sie den Atommüll in den Meeren zum Thema machen, oder ist diese Kartoffel auch für sie zu heiss?

Atommüllfässer bereit zum Abtransport (Autor unbekannt)


Facebook verweigerte Publikation…


Quellen:
[1] https://www.ardmediathek.de/tv/REPORT-MAINZ/Strahlende-Altlast/Das-Erste/Video?bcastId=310120&documentId=8636786 (Link am 14.11.2025 nicht mehr erreichbar)

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